Die Ernährung im Mittelalter

Für die Menschen im Mittelalter hatte die Ernährung einen religiösen Stellenwert. Doch sie gehörte auch zum Spiel der Elemente, welches das Universum regiert.

Wie die antike Wissenschaft und Medizin, stellte man sich die Welt als Verbindung von vier Grundelementen vor: Wasser, Feuer, Luft und Erde. Jedem dieser Elemente wurden genaue Grade an Hitze und Feuchtigkeit zugeschrieben. Der Mensch wurde als Mikrokosmos aufgefaßt und vereinigte in sich die Eigenschaften und Elemente des Makrokosmos Welt.

Da Nahrungsmittel ebenfalls ein Teil der Natur waren, hatten sie ebensolche Eigenschaften von Wasser, Feuer, Luft und Erde. Daher hatten sie in der Medizin unterschiedliche Funktionen. Sie dienten der Vorbeugung und förderten die Heilung. Sie regelten das Gleichgewicht der Körpersäfte und Temperaturen im Körper. Diese Theorie beeinflußte die Ernährungslehre zumindest bis ins 17. Jahrhundert.

Doch die Menschen im Mittelalter waren nicht „einheitlich“, und so versuchte man den verschiedenen Gruppen eine unterschiedliche Ernährung zuzuteilen.

Sag mir, was du ißt, und ich sag dir, wer du bist.

Den Menschen im Mittelalter wurde per Gesetz genau vorgeschrieben, welche Speisen und wieviele auf einer Tafel sein dürfen.

Ein Erlaß des Dauphin Combert de II Viennois aus dem Jahr 1336, das Sonntagsessen:

-Dauphin und Dauphine:

je 2 Pasteten, jeweils mit einem großen Huhn oder 2 Hähnchen gefüllt

-Barone und hohe Ritter:

jeweils eine dieser Pasteten

-niedere Ritter:

zu zweit eine Pastete

-Schildknappen, Kaplane, niedrige Geistliche:

ein Viertelhuhn oder ein halbes Hähnchen und zu zweit eine Achtelscheibe Schweinefleisch aus der Keule in einer Pastete

-Personal, Gesinde:

kein Geflügel, zu zweit eine Zwölftelscheibe Schweinefleisch aus der Keule in einer Pastete

Die soziale Hierarchie eines Hauses zeigte sich nicht nur an der Menge, sondern auch an der Qualität der servierten Speisen. Geflügel hielt man für besser und war deshalb nur für die gehobene Schicht. Rind, Schaf und Schwein aßen nur arme Leute oder Schwerarbeiter.

Genauso war das Gemüse und Obst unterteilt. Grob konnte man sagen: Je weiter oben etwas wuchs, desto höher stieg es in seiner Rangordnung. Wurzelgemüse und Kräuter kamen aber niemals auf den Tisch eines Adeligen. Dafür sehr viel Obst, Nüsse und getrocknete Früchte. Bei Erdbeeren und Melonen war man sich aber nicht sicher und vermied daher den Konsum.

Zucker war ebenfalls dem Adel vorbehalten. Das einfache Volk süßte mit Honig.

Die mit der Entdeckung Amerikas eingeführten Pflanzen, wie Tomaten, Piment, Mais, Kartoffeln und grüne Bohnen wurden allerdings bis ins 18 Jhdt. kaum verwendet.

Zu allen Regeln gab es natürlich auch Ausnahmen für Spezielle Gruppen.

Kinder, Geistliche, Ritter, Kranke und Pilger.

Ein Beispiel: adelige Kinder bis 5 oder 6 Jahre. Sie bekamen 3 Mahlzeiten am Tag:

Frühstück

ein weiches Ei, ein gekochter Apfel etwas weiches Brot

Mittagessen

Eintopf aus Kapaun, Kalb, Rind, Huhn, Rebhuhn, Krebs oder Barsch mit Brot, dieser Eintopf konnte auch durch Esels- oder Ziegenmilch ersetzt werden

2.Gang

Rebhuhn, Fasan, Lerche, Kalb oder Hammel in kleinen Stücken mit Soße, ohne Ingwer

Nachspeise

gekochte Birne oder gekochter Apfel mit viel Zucker

Zu trinken

Zuckerwasser mit einem Schuss sehr leichtem Wein

Es gab sehr selten Fisch, denn wegen seiner kalten, nassen Natur galt er als ungünstig für die Entwicklung. Es gab sehr viel Zucker, wenig Scharfes und viel Geflügel wie auch in der Krankendiät.

Was wurde getrunken:

Zum größten Teil gab es Wein. Meist wurde Weißwein getrunken. Bis zum 13 Jhdt. war er eher leicht, dann wurde er stärker. Es gab verschiedene Qualitäten. Weißwein, Beerenwein(rot), Kelterwein(rot, stärker), Tresterwein(rot, leicht), Hypocras(Gewürzwein). Bier, Met, Cidre, Birnenmost oder ähnliches Gebräu wurde meist nur getrunken, wenn Wein zu teuer war. Das damalige Bier war noch ohne Hopfen und eher dickflüssig. Es wurde auch oft als Mahlzeit gesehen. Man konnte es leicht zuhause mit einigen Aromastoffen herstellen (Enzian, Salbei, Lavendel, Koriander, Absinth). Ab dem 15 Jhdt. gab es dann das eigentliche Bier wie wir es kennen.

Ein Beispiel zum Weinkonsum:

Bei den Vertrauten des Bischofs von Arles im Jahre 1424: – 2,5l pro Kopf und Tag 900l im Jahr
Ochsentreiber des Hospiz von Aix: – 230l im Jahr
Klostergärtner von Saint-Victor: – 315l im Jahr
Studenten: – 220l im Jahr
eine Witwe aus Barjols: – 360l im Jahr
Gefängniswärter, Marktgendarmen, Fischer: – 2,5l pro Tag

Wann wurde gegessen:

Meist gab es nur zwei Mahlzeiten am Tag. Mittagessen zwischen 10 und 11Uhr, Abendessen zwischen 16 und 19Uhr. Bauern oder Schwerarbeiter hatten meist auch ein Frühstück. Ebenso bekamen Gäste die sehr früh ankamen eine kleine Mahlzeit.

Wie wurde gegessen:

Nur der Fürst besaß ein komplettes Gedeck mit Messer, Löffel, Schneidteller und einem Humpen. Gabeln waren eine Seltenheit. Meist wurden ein Löffel und ein Messer selbst zur Einladung mitgebracht. Die Schüssel und Schneidteller sowie die Humpen mußten sich immer 2 Gäste teilen. Nicht immer zur Freude Aller. Deshalb gab es sehr bald schon allgemein gültige Tischsitten:

– Ein Kind, das sich gut benehmen will, soll diese Regeln auswendig lernen.
– Wasch dir die Hände nach dem Aufstehen und vor jeder Mahlzeit.
– Greif nicht als Erster nach der Schüssel.
– Was du im Mund gehabt hast, legt nicht aufs Geschirr zurück.
– Kaue nicht etwas, das du wieder ausspucken musst.
– Tunk nicht dein Essen ins Salzfaß.
– Wisch dir den Mund ab, bevor du aus dem Becher trinkst.
– Hast du Brot ins Weinglas gebrockt, trink alles aus oder gieß es weg.
– Schneuz dich nicht in die bloße Hand.
– Merk dir diese Worte gut und biete nie den Rest in deiner Schüssel jemand anderem an.

aus „Tafelfreuden im Mittelalter“ von Bruno Laurioux